Österreich-Offensive: Trade Republic wird steuerlich zum Inlandsanbieter
Trade Republic bietet seit dem 24.4.25 auf dem österreichischen Markt die automatische Steuerabfuhr für Kapitalerträge und das kostenlose Girokonto mit AT-IBAN an. Die KESt-Abfuhr macht Trade Republic "steuereinfach". Der Neobroker behält künftig die in Österreich anfallenden Steuern auf Kursgewinne, Ausschüttungen und Zinsen ein und führt sie an das österreichische Finanzamt ab. Damit entfällt für die Kunden in der Regel die bis dahin nötige Veranlagung per Einkommensteuererklärung – ein Aufwand, der viele potenzielle Kunden abgeschreckt hatte. Trade Republic gilt damit steuerlich nicht länger als Auslandsbroker, sondern wie ein inländisches Institut. Nach Frankreich und Italien ist Österreich der dritte Markt, in dem der Neobroker aus Berlin sein Angebot in dieser Form lokalisiert.

Auszug aus den "Sonderbedingungen Österreich", angehängt in der Kundenvereinbarung ab Seite 75. Dargestellt sind die zwei Haupttätigkeiten der Branch Austria.
Um die Steuerautomatik zu ermöglichen, installierte Trade Republic die kleinstmögliche Einheit im Land, eine im Juli 2024 gegründete österreichische Zweigniederlassung ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die "Branch Austria" in Wien. Diese übernimmt in gewissem Maße die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere, nimmt Einlagen entgegen, stellt die AT-IBAN bereit und fungiert als inländische abzugsverpflichtete Stelle. Vertragspartner der Kunden bleibt die Trade Republic Bank GmbH in Berlin, operativ läuft vieles über die Zentrale. In der Kundenvereinbarung sind "Sonderbedingungen Österreich" angehängt, aus denen die Tätigkeiten der Branch Austria hervorgehen. Darin räumt Trade Republic ein, dass die Verwahrung und Verwaltung eine "Unterverwaltung" sein könne. Und die Kundeneinlagen werden weiterhin auf Treuhandsammelkonten bei Partnerbanken verteilt, obwohl Trade Republic eine Vollbanklizenz hat, oder fließen in Geldmarktfonds.
Daneben führt Trade Republic die Girokonto-Funktion jetzt auch in Österreich ein, die das bisherige Verrechnungskonto zu einem vollwertigen Zahlungsverkehrsprodukt erweitert. Kunden können damit Rechnungen bezahlen oder ihr Gehalt empfangen. Die Visa-Debitkarte ermöglicht den Cashback von einem Prozent jeder Kartenzahlung, der in einen Sparplan investiert wird. Bei der Verzinsung gibt Trade Republic weiterhin den vollen EZB-Zins an Kunden weiter – aktuell 2,25%, nach der Aktivierung des Girokontos ohne die Obergrenze von EUR 50.000.
Im Neukundengeschäft gilt die Steuereinfachheit ab sofort. Bestandskunden werden nach und nach in den kommenden Tagen und Wochen über ihre Möglichkeit zur Umstellung informiert. Sie erhalten eine App-Benachrichtigung und können dann den Migrationsprozess starten, wobei sie neuen Geschäftsbedingungen zustimmen müssen. Umgestellt wird daraufhin über Nacht; offene Orders werden dabei gelöscht, bestehende Sparpläne übertragen. Für 2025 erhalten migrierte Kunden zwei Dokumente zur Steuer: einen Report für den Zeitraum vor der Umstellung, für den sie noch selbst die Steuern abführen müssen, und eine Jahressteuerbescheinigung für den Zeitraum danach. Der Wechsel im Steuerrecht von Deutschland zu Österreich birgt Fehlerpotenzial, beispielsweise beim Ermitteln der Steuern auf Ausschüttungen oder der Übernahme der korrekten steuerlichen Anschaffungsdaten. Sollte Trade Republic das nicht einwandfrei meistern, besteht zwar die Möglichkeit, im Zuge der Steuerveranlagung zu korrigieren, doch dies wäre wieder aufwendig. Außerdem sieht das EStG vor, dass Anleger nach einem Wertpapierübertrag binnen 30 Tagen eine Meldung an das Finanzamt abgeben, um eine Veräußerungsfiktion zu vermeiden. Ob das auch bei dieser Migration gilt, ist offen. Auf dem Internetauftritt von Trade Republic waren die Informationen schon immer eher spärlich und zur Migration der Bestandskunden gibt es dort bislang keine FAQ.
Ohne automatische KESt-Abfuhr hatte Trade Republic nur begrenzte Marktchancen. Zwar stellten sie den österreichischen Kunden in Zusammenarbeit mit KPMG einen nach österreichischem Steuerrecht erstellten Report zur Verfügung, um das Deklarieren zu erleichtern, aber die Angaben darin waren nicht immer verlässlich. Der jetzige Schritt hat die Position von Trade Republic deutlich gestärkt, und seit den Produkterweiterungen der vergangenen Monate sind sie über reines Brokerage hinausgewachsen. Die Kombination aus kostenloser Depotführung und Ein-Euro-Trades (zuzüglich der Spreads), kostenlosem Girokonto, Karte mit Cashback und hohen Guthabenzinsen dürfte erheblichen Wettbewerbsdruck ausüben, zumal Trade Republic laut eigener Zählweise bereits über 100.000 Kunden in Österreich hat. Beim Brokerage dürfte Trade Republic bald um die Marktführerschaft mit flatex.at ringen, der ebenfalls steuereinfach ist.
Trotz der positiven Entwicklung bleiben Einschränkungen: Nutzer sind von einem einzigen Handelsplatz (LS Exchange) abhängig. Die Systemstabilität war in der Vergangenheit bei hoher Marktvolatilität gelegentlich nicht gegeben. Lediglich ausgewählte Anleihen sind handelbar. Nur dort handelbare Wertpapiere können in das Depot bei Trade Republic übertragen werden. Die Geldwäscheprüfungen schlagen häufig schon bei Durchschnittsnutzern an. Der Kundenservice steht nur per In-App-Chat zur Verfügung. Konsumentenschützer kritisierten das wenig transparente Konstrukt bei der Guthabenverzinsung sowie die fehlende Einlagensicherung für den Teil der Einlagen in Geldmarktfonds. Zusätzlich kann das Verbot von Payment for Order Flow das Geschäftsmodell erschweren. Gerüchten zufolge plant Trade Republic daher, ähnlich wie Scalable Capital selbst als Market-Maker aufzutreten.